Es ist die Erlösung für einen Mann, der aus Sicht eines Teils der Nation das hässliche Gesicht des Rassismus personifiziert und nach der Entscheidung von Geschworenen doch nur von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machte: Am späten Samstagabend wurde George Zimmerman, der 29-jährige Nachbarschaftswächter, der im Februar 2012 den 17-jährigen Trayvon Martin erschossen hat, von allen Vorwürfen freigesprochen. Weder eines Mordes zweiten Grades noch des Totschlags befand ihn die sechsköpfige Jury schuldig, die seit Freitagnachmittag 16 Stunden und 20 Minuten beraten hatte.
Ohne Triumph, lediglich mit einem Lächeln, nahm Zimmerman, dem im Fall einer Verurteilung als Totschläger bis zu 30 Jahre Haft und für ein Mordurteil gar "lebenslänglich" gedroht hätte, den Freispruch hin. Nun ist der Mann, der erst 44 Tage nach seinem tödlichen Schuss auf Martin überhaupt angeklagt und inhaftiert worden war, frei und wird doch mutmaßlich trotzdem kein normales Leben mehr führen können.
Denn die Emotionen kochten auch nach dem Ende des spektakulären, live im TV übertragenen Prozesses hoch. Vorwiegend schwarze Demonstranten schrien vor dem Gerichtsgebäude ihren Unmut hinaus. "Beendet die rassistische Unterdrückung", forderte ein Transparent. Es habe "keine Gerechtigkeit für Trayvon gegeben", sagte ein Mann zu Journalisten. Ein anderer gab an, er sei vom Urteil enttäuscht, aber im Rechtsstaat müsse man auch Entscheidungen akzeptieren, die einem nicht gefallen.
Einzelne Protestler, die auf ihren T-Shirts das Porträt Zimmermans im Visier eines Zielfernrohrs zeigten, ließen bezweifeln, das diese Einstellung von jedermann geteilt wird. Gleich nach dem Urteil kursierten bei Twitter unter dem Hashtag "#If I Ever See Zimmerman" gar offen Gewaltfantasien. Der Prozess hat gezeigt, dass die ethnischen Gräben in der amerikanischen Gesellschaft noch immer tief sind. Der vermeintliche Mörder Zimmerman, Sohn einer Peruanerin und eines US-Amerikaners, der sich selbst als Hispanic definiert, wurde vielfach als Weißer mit Vorurteilen gegen Schwarze wahrgenommen. Präsident Barack Obama steigerte die Solidarisierung mit dem erschossenen Teenager noch, als er 2012 sagte: "Hätte ich einen Sohn, sähe er aus wie Trayvon Martin."
Am Abend jenes 26. Februar 2012 war Martin auf dem Heimweg. Als der Afroamerikaner durch die Nachbarschaft lief, erweckte er das Misstrauen Zimmermans, der bei abendlichen Streifengängen stets nach möglichen Einbrechern Ausschau hielt. Zimmerman rief den Polizeiruf 911 an, berichtete, dass er einen Verdächtigen ausgemacht habe, der möglicherweise "unter Drogen" stehe und "auf nichts Gutes aus" sei. Der Polizeibeamte schickte einen Streifenwagen und forderte Zimmerman auf, von einer Verfolgung abzusehen und zurück zu seinem Auto zu gehen. Bis zu diesem Punkt ist der Ablauf der Ereignisse unbestritten; was danach geschah, wurde von Anklage und Verteidigung unterschiedlich dargestellt. Die sechs Geschworenen, allesamt Frauen, fünf davon weiße und eine hispanischer Herkunft, mussten sich für eine der Versionen entscheiden.
Laut Staatsanwalt John Guy verfolgte der bewaffnete Zimmerman den Jugendlichen. Er, der sich mehrfach für eine entsprechende Stelle beworben hatte, habe an jenem Abend "Polizist sein wollen". Dabei kam es zu einer Konfrontation, und zu Gewalt. Die beiden Männer kämpften, und Zimmerman erschoss Martin. "Der Angeklagte erschoss Trayvon Martin nicht, weil er das musste", so formulierte es Guy, "er erschoss ihn, weil er das wollte". Zimmerman, der im Verfahren schwieg, ließ über seine Verteidiger einen anderen Ablauf erzählen.
Er sei zu seinem Auto zurückgegangen. Dabei habe er gemerkt, dass Martin sein Fahrzeug umkreiste. Um der Polizei seinen exakten Aufenthaltsort angeben zu können, sei er erneut ausgestiegen, um das Straßenschild ablesen zu können. Dabei sei er von Martin angegriffen worden, der ihn geschlagen, seinen Kopf auf den Asphalt gehämmert und versucht habe, nach seiner, Zimmermans, Pistole zu greifen. In Todesangst habe er die Waffe hinter dem Rücken hervorgezogen und den tödlichen Schuss auf den über ihm Knienden abgefeuert.
Zimmerman hatte bei der Befragung durch die Polizei nach der Tat Wunden am Hinterkopf, und er blutete aus der Nase. Zudem bestätigten Verwandte, dass eine um Hilfe schreiende Stimme während des Kampfes der Männer, die durch den Notruf eines Anwohners von der Polizei aufgezeichnet wurde, von Zimmerman stamme. Selbstverteidigung ist in den USA ein hohes Gut. Die Anklage konnte nicht beweisen, dass Zimmerman den Kampf mit Martin bewusst oder aber fahrlässig provoziert hatte. Das ließ die Jury auf Freispruch entscheiden. Schwarze Bürgerrechtsorganisationen wie NAACP sehen dies als "Unrecht", als Verletzung des Diskriminierungsverbots. Mit "Thank you, Ma'am" dankte hingegen Zimmerman der resoluten Richterin Debra Nelson, die ihn nach dem Spruch der Jury informierte, dass er frei sei. Sein Anwalt O'Mara erinnerte im Gespräch mit den Medien: "Das Urteil hat nichts mit Bürgerrechten zu tun."
Es handele sich schlicht um einen Strafprozess, bei dem die Vorwürfe gegen den Angeklagten entkräftet worden seien. In einem Rechtsstaat sollte dies von allen Seiten akzeptiert werden.
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