Fakten Fakten, Fakten, Fakten. Die liefert Autor Josef Wilfling im Staccato-Tempo. In der Aula der Mittelschule Krumbach berichtet er mehr als 80 Zuhörern von seiner Zeit als Ermittler bei der Münchner Mordkommission, bei der er 22 Jahre arbeitete. Da kommt allerhand zusammen an Fällen. Er hat es genau parat: In dieser Zeit geschahen 361 vollendete Tötungsdelikte und 850 Tötungsversuche." Was Wilfling als Ermittler erlebt hat, lässt ihn nicht los, das verarbeitet er zu Büchern sein jüngstes ist Unheil".
Es beschäftigt sich mit dem Bösen im Menschen und der Erkenntnis, dass jeder Mensch zum Mörder werden könnte. Kein Krimi, keine Fiktion ist der Stoff, der sich um die Schwerste aller Kriminalität Mord dreht. Wilfling bringt die Realität, die Brutalität im wirklichen Leben mit nach Krumbach. Den Blick der Zuschauer will er dahin werfen, wo das Böse lauert, auf unterschiedliche Tätertypen, verschiedene Tatmotive und verschiedene Tötungsarten wie die berühmte er-Gruppe: erwürgen, erdrosseln, erschießen, erschlagen ...".
Den Blick wirft er hin, ohne jeglichen Voyeurismus beim Zuhörer zu bedienen. Nur kurz skizziert er die Tat einer vom Ehemann jahrelang misshandelten Frau, die eines Tages ein Messer aus der Küchenschublade nimmt, es dem Mann in den Körper rammt und dann nochmal und nochmal und noch 30 Mal". Oder auch den Fall eines Baggerfahrers, der seit Jahren vom Polier gemobbt diesen schließlich umbringt. Nicht irgendwie, sondern mit dem Bezug zum Beruf, mit der Baggerschaufel.
Ausführlichere Schilderungen gibt es zur Tötung einer Ehefrau durch ihren Ehemann, der eigentlich einen perfekten Mord" geplant hat und alles jemand anderem in die Schuhe schieben wollte, oder dem Mord auf dem Inka-Trail an einer Münchner Krebsforscherin durch ihren zehn Jahre jüngeren israelischen Ehemann in Peru. Auch diese beiden Taten wurden mit Beteiligung Wilflings aufgeklärt, dienen aber in der Krumbacher Lesung nur als Belege für das Faktum, dass zumindest hierzulande Morde fast ausschließlich Beziehungstaten sind, begangen von Ehemännern, Söhnen, Ehefrauen, Geliebten, Lebensgefährten oder Arbeitskollegen. Sein jetziges Buch sei quasi ein Lexikon der Beziehungstaten, begangen im Rosenkrieg, wegen Ehebruchs, Stalking oder Drohungen, das Kind wegzunehmen, lässt er die Zuhörer wissen. Zwar habe er auch Auftrags- und Serienmörder gehabt, doch machten sie nur wenige Prozent der Täter aus.
In Deutschland leben wir diesbezüglich auf einer Insel der Glückseligen", sagt Wilfling, der, obgleich er so viel Böses und Brutales in seinem Beruf als Ermittler erlebt hat, nicht den Glauben an die Menschheit verloren hat: Schließlich gebe es immer noch mehr andere als Mörder.
Wilfling erklärt Zahlen zur Mordrate hier und im Ausland, dass eher Männer die Täter und Frauen die Opfer bei Morden sind, zitiert Philosophen, Schriftsteller und einen Staatsanwalt zum Thema Gut und Böse in uns Menschen und zeigt sich zutiefst überzeugt davon, dass das Böse im Zaum zu halten sei durch den Rechtsstaat und eben auch die Mordkommission, die zum Erfolg verdammt sei, die schlimmste aller Taten aufzuklären. Denn: Täter würden das Risiko ihrer Tat stets abwägen und eine hohe Aufklärungsquote, wie sie hier in Deutschland herrsche, schrecke Täter auch ab. Dennoch blieben hierzulande etwa fünf Prozent der Tötungsdelikte ungeklärt.
Sie würden aber als Altfälle immer wieder hervorgekramt von den Ermittlern. Immer wieder erleichterten Neuerungen in der Technik, wie die DNAAnalyse oder AFIS, das automatische Fingerabdruck-Identifizierungssystem, das Aufklären von Fällen. Denn einen perfekten Mord, so Wilflings Überzeugung, gebe es nicht.
Nach einer kleinen Fragerunde entließ der Münchner mit dem rollenden fränkischen R die Zuhörer an den rein statistisch gefährlichsten Ort der Welt" das eigene Zuhause, denn da geschähen die meisten Taten.
In Wilflings Buch werden einzelne Fälle sehr viel ausführlicher dargestellt, was die Kauflust der Leser steigern dürfte. (adö)
Josef Wilfling, Unheil, Warum Menschen zu Mördern werden, 304 Seiten, Heyne, 19,90 Euro.
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