Mittwoch, 24. Oktober 2012

Vom Nazi zum Mörder - Neue Rheinische Zeitung

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Glossen
Der flieende bergang
Vom Nazi zum Mrder
Von Ulrich Gellermann

Der Google-Algorithmus ist ziemlich gerecht. Er spült jene Seiten, jene Themen nach oben, die mit den meisten Zugriffen punkten können. Sucht man im deutschsprachigen Raum nach dem Begriff "Rechtsterrorismus", findet man rund 300.000 Treffer. Gibt man den Begriff "Islamistischer Terror" ein, erreicht man satte zwei Millionen Treffer. Da Google nichts anderes macht, als im Netz vorhandene Nachrichten und Meldungen widerzuspiegeln, ist die Medienwirklichkeit eindeutig: Es gibt scheinbar in Deutschland mehr islamistischen Terror als rechten Terror.

Mit dem Google-Instrument "Trend" kann man die Suche verfeinern: Im Zeitraum von 2005 bis 2011 findet die Suchmaschine so gut wie nichts zum Begriff "Rechtsterrorismus", erst im November des letzten Jahres steigt die Trefferquote sprunghaft an: Die Mörder aus Zwickau hatten sich selbst aufgedeckt. Langsam sinkt die Trefferkurve inzwischen wieder auf die Ausgangswerte. Auch wenn die Quote keineswegs die Wirklichkeit abbildet - rechten Terror gab es längst vor dem November 2011, die Zahl der rechten Morde seit 1990 liegt bei 180 Opfern - wird von Google doch ein Stück Realität abgebildet: Wie Politik, Behörden und Mainstream-Medien den rechten Terror erfassen: Mühsam, lückenhaft, widerwillig. Lieber fasst man den Splitter des Islamis- mus ins Auge als den Balken des kerndeutschen Terrorismus wahrzu-nehmen.
Das CSU-Mitglied Klaus-Dieter Fritzsche gehört zu diesen Sumpf-Existenzen: Neun lange Jahre war er Vizechef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, vier Jahre lang hatte er den Posten des Nachrichten-Dienst-Koordinators im Kanzleramt inne, jetzt ist er Staatssekretär im Bundesinnenministerium und mit Vorliebe ein arroganter Verächter der Parlamentarischen Demokratie: Als der Nazi-Untersuchungsauschuss vom ihm wissen wollte, warum die Behörden keine Spur von den NSU-Terroristen gehabt hätten, pöbelte er von einem "Skandalisierungs-Wettbewerb" der Medien, verbat sich Zwischenfragen der Abgeordneten und bezeichnete die Arbeit des Untersuchungsausschusses als schädlich für den Verfassungsschutz. Assistiert wird er vom Chef des "Bundes Deutscher Kriminalbeamter", der den Untersuchungsausschuss als überflüssig bezeichnete und ihm "postmortale Klugscheisserei" unterstellte. Weiter sagt der Mann, den sie immer noch nicht aus dem Dienst geworfen haben, über die Ausschuss-Mitglieder: "Die angeblichen Experten zum Thema innere Sicherheit liegen dabei gefällig in ihren Stühlen und tun so, als ob sie alle Antworten kennen würden. Dabei gehören sie ebenfalls auf die Anklagebank." Noch im Oktober 2011, nur einen Monat vor der NSU-Selbstaufdeckung, wusste der beamtete Maulheld, man habe es "im Bereich Linksextremismus zu lange schleifen lassen". Zur selben Zeit wünschte sich der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt mehr Ermittler in der linksextremen Szene denn: "Im rechtsextremen Spektrum ist die Polizei vergleichsweise überrepräsentiert". Das ist der Korps-Geist, der in den Hirnen jener Beamten spukt, die angeblich unsere Sicherheit stärken.
Über all dem braunen Filz thront Innenminister Friedrich, mit dem Horizont einer Flunder und jener rotzfrechen CSU-Mentalität ausgestattet, die ihn noch jüngst zu folgenden Sätzen getrieben haben: "Ob es wirklich Pannen bei den (NSU-) Ermittlungen gab, wird erst noch untersucht. - Die NSU-Morde bleiben rätselhaft. - Nachahmer, die wahllos Leute erschießen und davon nichts verlautbaren, erwarte ich nicht. - Es wird nicht gelingen, die NSU-Morde der NPD als Partei zuzurechnen." Warum auch? Solange Leute wie Friedrich für den Schutz der Verfassung zuständig sind braucht man die NPD: Um zu wissen, wo der rechte Rand ein Ende hat. Für seinen Anfang ist Friedrich zuständig. (PK)

Hierzu auch der Beitrag "Geheimdienstliche Bildungsoffensive" in dieser Ausgabe.
 

Online-Flyer Nr. 377  vom 24.10.2012

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