Dienstag, 12. Februar 2013

Im Kopf der Mörder - Neues Deutschland

The Act of Killing im Panorama und Terra de ningum (Niemandsland) im Forum nhern sich lteren Mnnern, die sich zum Tten anstellen lieen. Aber sie tun das auf sehr unterschiedliche Weise. Die portugiesische Multi-Media-Knstlerin Salom Lamas filmte ihren einsamen Sldner und Auftragskiller vor einer schwarzen Leinwand in den brckelnden Ruinen eines leeren Hauses. Sie entschied sich dafr, seine (ebenso rassistischen wie blutigen) Erinnerungen an die Kolonialkriege in Angola und Mosambik und die anschlieende freiberufliche Arbeit fr die spanischen, franzsischen und portugiesischen Geheimdienste chronologisch zu ordnen und suberlich durchzunummerieren. Der US-Filmemacher Joshua Oppenheimer ging fr seine anglo-dnische Produktion The Act of Killing ganz andere Wege.

Weil seine Protagonisten sich selbst als Kinohelden sahen, whrend sie in Indonesien Mitte der 60er Jahre Tausende sogenannter Staatsfeinde mit den eigenen Hnden eliminierten, gab Oppenheimer ihnen ein Filmteam an die Hand - Kameras, Kostme, Licht, Ausstatter und Maskenbildner. So lie er ihnen die Wahl, wie sie sich selbst zu inszenieren wnschten.

Beide Filme gehen unter die Haut, beide erreichen ihr Ziel, beide werfen zumindest einen Lichtkegel auf die Frage, wie Menschen dazu kommen, sich das Tten zu gestatten - und wie sie im Nachhinein mit ihren Taten umgehen. Lamas portugiesischer Killer bezahlte am Ende fr eine seiner Taten und fhlt sich deshalb schlecht behandelt, weil man ihm gerade diesen einen Mord doch gar nicht hatte nachweisen knnen. Die Killer bei Oppenheimer dagegen lassen sich bis heute fr ihre Taten von damals beglckwnschen.

Mit Hollywood-Filmen verdienten sie ihr Geld, aus Hollywood-Filmen bezogen sie ihre Helden, Rollenvorbilder und Ttungstechniken: Anwar Kongo und Mnner wie er ermordeten im Auftrag der indonesischen Militrdiktatur rund eine Million angeblicher Kommunisten, die intellektuelle Opposition, viele ethnische Chinesen und andere Minderheiten sowie sonstige missliebige Brger. Die Mrder hatten sich als Gangster auf dem Schwarzmarkt fr Kinotickets einen zweifelhaften Ruf erworben, bevor sie vom Regime als Handlanger fr den staatsverordneten Genozid angeheuert wurden.

Bis heute hat keiner dieser Mnner fr seine Taten geradestehen mssen: ffentlich gefeiert, von politischen, militrischen und paramilitrischen Kadern hchsten Ranges nicht nur klammheimlich gedeckt, sondern ffentlich belobigt, sind Anwar Kongo und seine Mitstreiter sich bis heute keiner Schuld bewusst. Die Kommunisten wollten schlielich den Staat unterminieren und, beinahe schlimmer noch, die Einfuhr US-amerikanischer Filme verbieten - wer konnte sich das schon gefallen lassen? Also ging man abends ins Kino, sah sich in der Hauptvorstellung ein Musical, einen Western oder Gangsterfilm Made in USA an, und schritt danach auf dem Dach der rtlichen Folterzentrale zur Tat, neu motiviert und allerbester Laune. Wie zum Beweis skizziert Anwar Kongo ein paar Tanzschritte, und er macht das gut: weiche Bewegungen, geschmeidige Grazie, sichtliche Freude an der getrllerten Melodie.

Am Morden hat ihn diese Grazie nicht gehindert. Anfangs habe man die Gefangenen noch mit dem Messer gettet, aber das viele Blut sei zum Problem geworden. Die Mcken! Der Gestank! Also dachte man sich etwas anderes aus. Und Anwar Kongo macht auch das vor vor der Kamera: das fachgerechte Tten mit der Garotte, dem Draht, der sich um den Hals des Opfers windet, fest in der Wand verankert auf der einen Seite, whrend am losen Ende ein Holzstck dem Killer einen Handgriff bot, der sich daran mit ganzem Krpergewicht ins Zeug legte. Schnell, leise, blutfrei - ein gut gemachter Job. Trotzdem, reminiszieren die auf ihr Handwerk sichtlich stolzen Mrder, habe man sich auch mal andere Ttungsmethoden einfallen lassen. Jemanden mit dem Auto zu berfahren beispielsweise, oder ein ganzes Dorf in der Provinz mit Macheten und Feuer dem Erdboden gleich zu machen.

Die Szene, in der sie das nachspielen, schreit nach Statisten. Also werden die Bewohner der umliegenden Drfer verpflichtet, das Chaos, die vergeblichen Fluchtversuche und vielfachen Meuchelmorde nachzustellen. Die Killer spielen sich selbst, inszenieren mit, gebrden sich als wichtige Leute. Am Ende des Drehs applaudiert man sich gegenseitig fr die berzeugende Darstellung - nur die Frauen sind blass und die von den Schreien und Gewaltdarstellungen sichtlich traumatisierten Kinder knnen gar nicht aufhren mit dem Heulen.

Anwar Kongo und seine Mitstreiter aber sehen sich in der Nachfolge von Kommunistenhasser John Wayne. Sie dienen heutigen Gouverneuren als Beiwerk auf offiziellen Fotos und lassen sich von der Pancasila-Jugend feiern, einer paramilitrischen Organisation, die ihre menschenfeindlichen berzeugungen in eine Volksbewegung berfhrte.

Als Oppenheimer mit den Mrdern, Gouverneuren und Paramilitrs zu filmen begann, hatte er bereits Erfahrung im Umgang mit den Grueln der indonesischen Diktatur. Nur hatte er die bisher von der anderen, der Opferseite her aufgerollt. Das aber erwies sich als schwierig bis lebensgefhrlich, vor allem fr die Opfer. Erst als sein Team und er ihre Kameras auf die Tter richteten, konnten offizielle Stellen gar nicht schnell genug Tren fr sie ffnen.

Mit dem Ergebnis allerdings werden sie hadern. Denn whrend Salom Lamas am Ende voller Larmoyanz den Tod ihres Helden bedauert und wirklich jede - nicht nur professionelle - Distanz vermissen lsst, gelang Oppenheimer das, was selbst Massaker - der moderne Klassiker im Genre der Interviewfilme mit handwerksstolzen Massenmrdern - nicht vermochte: Am Ende von The Act of Killing erlebt man mit, wie bei Anwar Kongo Fantasie und Gewissen einsetzen. Wie lebt einer damit weiter?

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