Auf seinem Facebook-Profil lacht er breit. Weitere Fotos zeigen Chris Dorner im Kreise von Cops, als Soldat, beim Football, im Urlaub, mit dem Motorrad, als Kind. Neben seinem Wohnort (La Palma, Kalifornien) und seiner Ausbildung (Southern Utah University) nennt er sein Lieblingszitat. Es stammt vom Dichter D.H. Lawrence: "Ich habe nie gesehen, dass sich ein wildes Ding selbst bemitleidet hat."
Das ganz normale Leben eines wilden Haudegens also, mchte man jedenfalls meinen. Doch jetzt ist Christopher Jordan Dorner, 33, offenbar vom freundlichen Ex-Cop zum kaltbltigen Cop-Killer mutiert - und ber Nacht zum meistgesuchten Mann der USA.
In Los Angeles herrscht Alarmzustand. Brgermeister Antonio Villaraigosa rt den Einwohnern der Millionenstadt eindringlich, "wachsam zu bleiben". Patrouillenbeamte in Panzerwesten haben ein Schutzschild um die Zentrale ihres Los Angeles Police Departments (LAPD) in der Downtown gebildet. ber die Anzeigetafeln an allen Freeways der Region blinken Warnungen mit dem Nummernschild des Pick-up-Trucks Dorners: CA 8D83987.
Drei Morde soll der massige, schwerbewaffnete Mann schon begangen haben und noch mehr angedroht. Als sich am Donnerstag Dunkelheit ber die Metropole legt, jagt das gesamte LAPD nach dem einstigen Kollegen, der sich nach eigenen Worten fr seine Entlassung rchen will. Spter weitet sich die Suche sogar aufs Skigebiet Bear Mountain aus, zwei Autostunden stlich.
"Dies ist weit genug gegangen", appelliert LAPD-Chef Charlie Beck an den Verdchtigen. "Niemand sonst braucht mehr zu sterben."
"Jetzt lebt ihr das Leben von Beutetieren"
Doch Dorner, ein Marinereserveoffizier, scheint andere Plne zu haben. In einem wirren, wortreichen "Manifest" droht er dem LAPD mit "unkonventioneller und asymmetrischer Kriegfhrung". Die Behrde hat es an die Medien lanciert; es enthlt auch die - vom LAPD geschwrzten - Namen von zwei Dutzend Cops, potentiellen Opfern Dorners: "Jetzt lebt ihr das Leben von Beutetieren", warnt er sie.
Hunderte Beamte sind ausgeschwrmt, um Dorner dingfest zu machen. Er soll bis an die Zhne bewaffnet sein, unter anderem mit einem Scharfschtzengewehr und Boden-Luft-Raketen. Die Cops, die auf seiner Todesliste genannt sind, stehen unter Personenschutz.
Dabei war der bullige Dorner mal einer von ihnen. Nach seinem Militrdienst bei der Marine, die ihn zum Meisterschtzen ausbildeten, und einem Einsatz im Irak kommt der Reservist 2005 zum LAPD. Es ist sein Traumjob, wie er spter sagt.
"Natrlich wei er, was er tut", seufzt Polizeichef Beck. "Wir haben ihn ausgebildet."
Fristlos entlassen
Doch Dorners Zeit als Polizist endet schon nach drei Jahren wieder - im Skandal. Er beschwert sich ber eine LAPD-Kollegin, die ihn whrend seiner Ausbildungszeit dort berwacht hat: Sie habe einen geisteskranken Verdchtigen misshandelt. Ein Disziplinarausschuss befindet jedoch, dass Dorner gelogen habe. Obwohl der Vater des mutmalichen Opfers seine Vorwrfe spter besttigt, wird er 2008 fristlos entlassen.
Danach qult sich Dorners Fall durch die Berufungsinstanzen. Er will zurck ins LAPD, wird immer wieder abgeschmettert. Warum er aber jetzt zum Schlimmsten greift, bleibt unklar. Ex-Kollegen erinnern daran, dass Donnerstag der Jahrestag seiner Entlassung sei. Andere vermuten Geisteskrankheit oder eine Form von posttraumatischem Stress.
Die ersten Schsse fallen am Sonntagabend. Die Opfer: Monica Quan, 28, eine Basketball-Trainerin an der California State University, und ihr Verlobter Keith Lawrence, 27, ein Sicherheitsbeamter. Sie werden von mehreren Kugeln getroffen, als sie in ihrem Auto in Irvine sitzen, einem Vorort sdlich von Los Angeles.
Die Verbindung zu Dorner: Quan ist die Tochter von Randy Quan, einem pensionierten LAPD-Captain, der Dorner damals vor dem Disziplinarausschuss vertrat und ber den er sich in dem "Manifest" offenbar direkt beklagt.
Schtze beklagt Rassismus, Diskriminierung, Brutalitt, Korruption
Dieses Schreiben ("An: Amerika") wird kurz nach diesen ersten Morden bekannt. "Nichts geschah", beschwert sich Dorner darin ber seine Behandlung durchs LAPD. Die Behrde habe sich an ihm gercht, weil er die "Blue Line" berschritten habe, den Ehrenkodex unter Polizisten. Seither leide er unter Depressionen: "Wegen dem LAPD habe ich das Verhltnis zu meiner Mutter und Schwester verloren."
Dorner - ein Schwarzer - beklagt noch zahllose andere Missstnde beim LAPD: Rassismus, Diskriminierung, Brutalitt, Korruption - Vorwrfe, die der Behrde tatschlich seit langem immer wieder nachhngen. "Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen gegossen werden", schreibt er. "Sobald die Wahrheit ans Licht kommt, endet das Tten." Die Tiraden gipfeln in dem Satz: "Dies ist mein letzter Ausweg."
Zugleich schwingt er aber Lobeshymnen auf Dutzende Prominente: Football-Star Tim Tebow ("Ich glaube an dich"); Charlie Sheen, Hollywoods Enfant terrible ("Du bist verdammt toll"); sogar der sterreichische Oscar-Anwrter Christoph Waltz ("Du bist auf dem besten Wege, einer der Grten zu werden").
Seine Opfer hat Dorner angeblich schon seit Wochen beschattet. Er habe die Wohnungen einiger in dem "Manifest" genannten Personen "aufgesucht", meldet die "Los Angeles Times".
Dorners Spur fhrt bis nach San Diego. Dort checkt er nach Polizeiangaben am Dienstag in einem Motel auf dem Marinesttzpunkt Point Loma ein. Am Mittwoch berfllt ein Mann, der Dorner hnlich sieht, einen 81-jhrigen Bootsbesitzer im Point Loma Yacht Club.
"Er ist ein unglaublich gefhrliches Individuum"
Der Mann habe ihn unter Waffengewalt gefesselt und sein Boot stehlen wollen, berichtet dieser der Polizei. Als sich das Tau in der Schiffsschraube verfangen habe, sei er aber geflohen. Wenige Stunden spter wird auf einer Strae am Flughafen von San Diego Dorners Brieftasche gefunden, darin sein Fhrerschein und seine LAPD-Polizeiplakette.
Die nchsten Schsse fallen in der Nacht zum Donnerstag. Sie gelten zwei Cops, die zum Schutz eines der im "Manifest" inkriminierten Kollegen in Corona stlich von Los Angeles abgestellt wurden. Es gibt ein Feuergefecht, ein Beamter erleidet einen Streifschuss, der Schtze flieht - es sei Dorner, so das LAPD.
20 Minuten spter stehen zwei andere Cops nicht weit entfernt in Riverside in ihrem Streifenwagen an einer roten Ampel. Jemand habe neben ihnen angehalten und das Feuer erffnet, sagt Riversides Polizeichef Sergio Diaz spter - ein "feiger Hinterhalt". Der eine Cop, 34 Jahre alt, kommt um, der andere wird schwer verletzt. Ein Passant ruft Hilfe - ber das Walkie-Talkie der blutenden Beamten.
Die gegenseitige Jagd nimmt bald groteske Zge an. Polizisten ballern aus Versehen auf zwei Trucks, die dem Dorners hnlich sehen. Zwei Frauen, die Zeitungen austragen, werden getroffen, zum Glck aber nur leicht verletzt.
Mitten im Chaos wird bekannt, dass Dorner ein Paket an CNN geschickt hat. Adressiert an Anderson Cooper, den Star des Senders, traf es nach Angaben des Senders schon vorigen Freitag in der New Yorker CNN-Dependance ein. Inhalt: eine DVD, ein Zettel ("Ich habe nie gelogen") und eine Souvernirmnze mit drei Einschusslchern, ausgegeben vom damaligen LAPD-Chef Bill Bratton, der auch auf Facebook-Fotos Dorners zu sehen ist. Cooper interviewt Bratton abends in seiner Sendung. "Er ist ein unglaublich gefhrliches Individuum", sagt der.
Schlielich taucht Dorners Truck auf - in Bear Mountain, einem Skigebiet 150 Kilometer stlich von Los Angeles. Der Wagen ist vllig ausgebrannt. Die Polizei vermutet, dass das Feuer nur ein Ablenkungsmanver ist. Spuren im Schnee fhren ins Nichts. Suchhunde durchkmmen das Gelnde, vorerst erfolglos.
Mittlerweile hat Dorner aber auch Fans. Auf Facebook haben sie mehrere andere Profile unter seinem Namen gebildet, teils mit hundertfachem "Gefllt mir"-Zuspruch. Auf einem steht geschrieben: "Fuck the Police!"
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