Stefan Lamprecht Foto: Polizei
Kiel. Wer hat den Kieler Stefan Lamprecht (13) missbraucht und getötet? Die Berliner Mordkommission rollt jetzt ein Sexual-Verbrechen wieder auf, das vor 18 Jahren in Berlin geschah - und bis heute ungelöst ist. Mit bisher unveröffentlichten Details, auch Mörderwissen, ist die Polizei an die Öffentlichkeit gegangen. Sie hofft, Licht in den Fall zu bringen - und möglicherweise wertvolle Erinnerungen damaliger Schulkameraden oder Nachbarn aus Kiel zu wecken. "Ein Hinweis ist bereits eingegangen", sagte Polizeisprecherin Kerstin Ziesmer gestern. Eine heiße Spur sei das aber noch nicht. Stefan Lamprecht wäre heute 31 Jahre alt.
Die Sommerferien im Jahr 1995 sind die letzten, die er erlebt. Die Polizei hat rekonstruiert: Seit Mitte Juli verbringt er ein paar Tage bei seinem Vater in Berlin. Der Junge lebt seit 1989 mit seiner Mutter und seiner Schwester in Kiel-Dietrichsdorf (Steinkamp 38), geht dort 1995 in die 7. Klasse der Theodor-Storm-Hauptschule. Wie im Jahr zuvor besucht er in den Ferien seinen Vater in seiner Geburtsstadt Berlin. Beide wohnen bei Stefans Großmutter.
Der Junge geht gern angeln, sein liebstes Hobby neben Fußball. Einmal trifft er sich mit einem verwandten Jungen. Beide sind lange befreundet, wohnen in Pankow. Die Jungen sind Ende Juli 1995 einen Tag zusammen im dortigen Freibad. Stefan hat eine Nacht bei seinem Freund übernachtet. Dort hat der 13-Jährige seine Badesachen vergessen, will sie abholen. Am Mittwoch, 2. August 1995, bricht er gegen 15 Uhr auf. Gegen 16.15 Uhr verlässt er das Haus des Freundes in der Sellinstraße, will zur Oma zurück. Seine Badesachen trägt er in einer weißen Plastiktüte.
Die Polizeisprecherin erklärt: "An diesem Nachmittag wird Stefan Lamprecht letztmalig lebend in der Sellinstraße 3 gesehen." Der Junge bleibt verschwunden. Die Familie schaltet die Polizei ein. Mehrere Tage intensiver Suche bleiben erfolglos. Am Dienstag, den 8. August, wird auf der Mülldeponie Schöneiche bei Mittenwalde beim Entladen von Waggons mit aus Berlin stammendem Hausmüll ein getöteter Junge gefunden - Stefan Lamprecht.
Die Polizei weiß: Der blonde und schlanke junge Kieler ist Opfer eines Sexualverbrechens geworden, hatte eindeutige Verletzungen am Unterleib. Der unbekannte Täter hat ihn mit einem Messer mehrfach verletzt. Stefan wurde ohne seine Kleidung gefunden. Stattdessen war er in blaue Mülltüten "gekleidet" - Täterwissen, wie die Polizeisprecherin sagt: " Vielleicht ein Fetisch." Aufgrund der brutalen Misshandlungen unterstellen die Ermittler dem Mörder eine sadistische Tendenz. Ziesmer: "Die Phantasien könnte er vorher durchgespielt haben. Trotzdem könnte der Täter sozial integriert und unauffällig sein, sicher und selbstbewusst auftreten." Da die Kleidung des Opfers und seine Badesachen fehlten, sei denkbar, dass der Täter diese als eine Art Trophäe aufbewahrt.
Die Polizei geht davon aus, dass Stefan auf dem Nachhauseweg auf seinen Mörder traf, ein Zufallsopfer wurde. Kerstin Ziesmer: "Er war ein sehr freundlicher Junge." Eventuell wurde er unter einem Vorwand angesprochen - der 13-Jährige rauchte. Ziesmer weiter: "Stefan hat nie Alkohol getrunken. Bei seiner Obduktion wurde aber eine erhebliche Alkoholmenge festgestellt - möglicherweise gewaltsam verabreicht." Wo der Junge ermordet wurde, das konnte die Polizei nicht ermitteln. Sie ist aber sicher, dass der Täter ihn ungestört länger in seiner Gewalt hatte. Später entsorgte er ihn offenbar über einen Hausmüllcontainer.
Rätselhaft: An Stefans gesamtem Körper wurden Braunkohle-Rückstände entdeckt - ebenfalls Täterwissen. Hinweis auf ein Versteck des Mörders in einem Kohlenkeller? Noch eine offene Spur: Jahre später wurde bekannt, dass ein Pädophiler zu Stefan in Kiel Kontakt gesucht hatte. Darüber wissen die Ermittler wenig. Auch Stefans Kieler Umfeld liegt im Dunkeln. Die Familie lebte noch einige Zeit nach dessen Tod in Kiel. Auf dem Friedhof Neumühlen-Dietrichsdorf wurde Stefan Lamprecht beigesetzt. Hinweise nimmt das Landeskriminalamt Berlin unter Telefon 030/4664-911902 entgegen.
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