Samstag, 15. Dezember 2012

Die Mörder sind unter uns | NWZonline - Nordwest-Zeitung

Oldenburg/Jever/Kassel Im Allgäu und in der Eifel, im Schwarzwald, in Ostfriesland und auf Juist – die Mörder sind unter uns. Seit Jahren boomt das Geschäft mit dem Regionalkrimi, profitieren Autoren und Verlage vom Wunsch der Leser, die Verbrechen, von denen da erzählt wird, mögen doch bitteschön vor der Haustür passieren. In einer unübersichtlichen, aber standardisierten Welt, in der alles austauschbar erscheint, wächst das Verlangen nach Individualität, nach Vertrautem. Doch so groß die Nachfrage noch immer ist, so rasch gerät man an Texte, die außer Lokalkolorit wenig zu bieten haben.

Jede Menge Kriminalliteratur

Der Prolibris Verlag in Kassel hat seinen Schwerpunkt auf Krimis gelegt, die alle in Deutschland, Österreich und der Schweiz spielen. In diesem Verlag ist auch der erste Oldenburg-Krimi „Gnadenlose Engel" von Manfred Brüning erschienen (347 S., 12,95 Euro).

Bücher von Maeve Carels sind im Rowohlt Verlag erschienen, bei Bastei-Lübbe und im Leda Verlag in Leer. Letzterer hat sich ebenfalls auf Krimis deutschsprachiger Autoren spezialisiert.

Im Isensee-Verlag ist unter anderem der Regionalkrimi „Grünkohl, Schnaps und tot" des Oldenburger Autors Karsten Rauschfuß erschienen (146 S., 9,80).

„Stadtplan in Prosa" nennt Annette Kleszcz-Wagner diese Art von Regionalkrimis minderer Qualität. Das Genre sei in der Buchbranche inzwischen in Verruf geraten, „weil Manuskripte verlegt werden, obwohl die Texte miserabel sind". Für die Attraktivität der Krimis spricht nach Ansicht der Lektorin, die für den Kasseler Prolibris Verlag arbeitet, der Wiedererkennungseffekt für den Leser: Der regionale Bezug mache das Geschehen für ihn glaubhafter und damit spannender.

Verkauf zurückgegangen

Ein Autobahnparkplatz zwischen Bad Zwischenahn und Westerstede spielt bei dem ersten Oldenburg-Krimi von Manfred Brüning eine entscheidende Rolle. Dort wird ein Mann von einem Lkw überrollt. Nur war er schon vorher tot. Der 68-jährige Autor arbeitete 27 Jahre lang als Pastor in einer Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde in Ostfriesland. Und genauso wie seine persönlichen und beruflichen Erfahrungen in sein Buch „Gnadenlose Engel" eingeflossen sind – sein Kommissar Konnert findet in seinem Glauben Halt und fragt seinen Pastor um Rat –, genauso ist auch seine nähere Umgebung Bestandteil des Buches geworden. „Ich wohne in Apen, und Oldenburg ist nun mal die nächstgrößte Stadt", sagt er. „Ich denke, die Menschen, die hier wohnen, möchten über etwas lesen, das sie kennen." Das mache den Krimi auch ein Stückchen realistischer.

Rund 30 Krimis, die in der Stadt Oldenburg, im Landkreis oder im Ammerland spielen, sind im Isensee Verlag erschienen. Einige sind inzwischen schon vergriffen. Für Verleger Florian Isensee müssen es nicht unbedingt noch mehr werden: „Die Verkaufszahlen sind nicht mehr so gigantisch wie zu der Zeit, als die Regionalkrimis noch unverbraucht waren", sagt er. Letztlich sei das aber immer eine Frage der Qualität. Nur wenige Autoren von Regionalkrimis schaffen „den Sprung auf die große Bühne".

Klaus-Peter Wolf ist so einer, der längst nicht nur Ostfriesenkrimis schreibt. Seine Bücher wurden in mehr als 22 Sprachen übersetzt. Maeve Carels aus Jever gehört auch dazu. Ihr Krimi „Arnies Welt" etwa wurde von Sönke Wortmann verfilmt, der dafür einen Grimme-Preis erhielt.

Wer sie allerdings entnervt aufseufzen hören will, der muss ihre Bücher nur als „Regio-Krimis" bezeichnen. Inzwischen ist sie zwar daran gewöhnt, so vermarktet zu werden, aber einverstanden ist sie damit nicht. Region und Lokalkolorit seien zwar wichtig – Schauplätze ihrer Krimis sind Jever und Düsseldorf –, noch wichtiger aber seien die Charaktere.

Marketingstrategie

Dennoch sieht die Autorin im Regionalkrimi eine Chance für angehende Kollegen, die mit ihren Manuskripten in einem großen Verlag zunächst nicht untergekommen sind. Denn mit dieser speziellen Art von Kriminalliteratur seien viele kleinere Verlag auf den Markt geströmt. Für die Großen der Branche habe sich das Konzept nicht rentiert: „Dort haben es die Leser nicht angenommen."

Letztlich sieht Maeve Carels im Regionalkrimi eher eine Marketingstrategie, von Autoren und Verlagen. Eben ein passendes Etikett, das „draufgepappt" wird – das „muss in Deutschland erfunden worden sein".

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