Freitag, 28. Dezember 2012

Diedorf: Ehepaar von Intercity getötet - Pfarrerin betreute Lokführer - Augsburger Allgemeine

Das Hupen des Zuges bekommt Gastwirt Salvatore Sabino seit Montagabend nicht mehr aus dem Kopf. „Das war so laut, das glaubt man gar nicht." Das Hupen war der letzte Versuch des Lokführers, die zwei Personen auf den Gleisen am Diedorfer Bahnhof zu warnen. Vergeblich: Die beiden wurden an Heiligabend vom Intercity erfasst und getötet.

Eigentlich wollte Sabino, der das Bahnhofsstüberl in Diedorf betreibt, an diesem Abend im Familienkreis Weihnachten feiern. Der Gastwirt hatte sein Lokal eigens dafür freigeräumt, um Platz für seine Familie zu haben. Aus dem Fest wurde nichts: Von dem Fenster des Stüberls hat man einen direkten Blick auf die Bahngleise. „Weihnachten war für uns gelaufen", sagt Sabino heute.

Auch gestern, drei Tage nach dem Zugunglück, liefen die Ermittlungen weiter. Am Nachmittag sollten die beiden Opfer in der Münchner Gerichtsmedizin obduziert werden. Ein Ergebnis wurde bis zum Abend nicht bekannt. Auch die Identität der beiden Personen steht weiter nicht zweifelsfrei fest.

Die Kripo geht aber davon aus, dass es sich um einen etwa 60 Jahre alten Mann und eine Frau Ende 30 handelt. Weil die Körper beim Aufprall bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt wurden, soll ein DNA-Abgleich mehr Klarheit bringen.

Ein Suizid wird nicht ausgeschlossen

Was der Mann und die Frau, die nach jetzigem Ermittlungsstand in Augsburg lebten, am Diedorfer Bahnhof wollten und warum sie sich im Gleis aufhielten, war auch gestern unklar. Die Polizei geht von einem Unfall aus. Ein Suizid gilt als eher unwahrscheinlich, ist aber nicht ausgeschlossen. Hinweise könnte die Obduktion bringen. Dabei wird es routinemäßig darum gehen, ob Alkohol im Spiel gewesen sein könnte. Unter Umständen wird sich der Vorfall auch nicht mehr in allen Einzelheiten rekonstruieren lassen. Ein Verbrechen schließt die Polizei aber aus.

Bahngäste beschäftigt der Vorfall nach wie vor

Auch die Bahngäste beschäftigt das Unglück. Tanja Frey hatte gestern gemischte Gefühle, als sie den Bahnhof betrat: „Wenn man hier ist, macht man sich so seine Gedanken. Mir ist unwohl, wenn ich über das, was passiert ist, nachdenke." Stephan Wolf, der über Weihnachten seine Eltern besucht hat, sorgt sich um den Lokführer: „Der muss das erst mal verarbeiten."

Um ihm dabei zu helfen, ließ am Heiligabend die Zusmarshauser Pfarrerin Silvia Strauch alles stehen und liegen. Sie betreute als Notfallseelsorgerin den Lokführer. „Ich wollte mich gerade abmelden und in die Christmette gehen, als ich benachrichtigt wurde." Über die Inhalte des Gesprächs ist sie zum Stillschweigen verpflichtet. „Allgemein geht es bei solchen Gesprächen aber vor allem darum, zu signalisieren, dass man da ist."

Auch für die Mitglieder der Diedorfer Feuerwehr geht es nun darum, die Erlebnisse vom Montagabend zu verarbeiten. Die Aktiven mussten die Unfallstelle säubern. Deren Kommandant Christian Vogg erzählt: „Wir haben am Abend nach dem Einsatz noch im Feuerwehrhaus zusammengesessen und über den Einsatz geredet."

Zu diesem Zweck werden die Rettungskräfte regelmäßig geschult. „Ich habe gesagt: Bei wem es länger dauert, bis er das verarbeitet hat, soll sich bei mir melden", sagt Vogg. Bis gestern hat das jedoch noch niemand getan.

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