HAGELBERG - Am 20. Januar 1874 wurde vor dem Schwurgericht in Brandenburg die Belziger Förstermordgeschichte" verhandelt. Auf der Anklagebank saßen der Schleifer Gottfried Ganzer aus Görzke sowie der Büdner und Arbeitsmann Wilhelm Fraehsdorf aus Benken. Letzterer war schon dreimal von 1870 bis 1872 wegen unbefugter Ausübung der Jagd, Betreten eines fremden Jagdreviers mit Gewehr und eines tätlichen Angriffs gegen einen Forstschutzbeamten mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Den Angeklagten wurde vorgeworfen, am 24. Februar 1873 in der Forst bei Hagelberg den Förster Erler getötet zu haben. In der Anklageschrift heißt es, dass sich der herrschaftliche Revierförster an jenem Tag gegen 17 Uhr in sein nahe gelegenes Forstrevier aufmachte. Er führte einen Stock, eine geladene Büchsflinte sowie einen Hirschfänger ohne Fangmesser bei sich. Auf dem Weg begegnete ihm noch der Ökonomie-Inspektor Hornickel, dem er sagte, dass er bald zurückkomme. Doch er kehrte nicht zurück.
Am zeitigen Morgen des folgenden Tages begann die Suche nach dem Vermissten. An einem von Erler regelmäßig benutzten Hochsitz fand man seinen zusammengefalteten Rucksack, an der anderen Seite der Schonung, an einem Gehege aufgehängt, seinen Stock und in der Schonung die zerschossene Dienstmütze. Inzwischen gefallener Schnee erschwerte die Nachforschungen. Am folgenden Tag fand man in einer Entfernung von etwa 1100 Schritten von der Schonung auf der Feldmark des Gutes Lübnitz in einem überdachten Brunnen die Leiche des Erler ganz unter Wasser und so, dass die Beine nach oben und der Kopf nach unten war. Der obere Teil der bis auf die Mütze vollständig bekleideten Leiche steckte bis zur Hälfte in einem Sack. Die Arme waren krumm gebogen, sodass sie sich vor den Augen kreuzten." In der Weste des Toten fand man seine Taschenuhr, die um 6 Uhr 44 ½ Minuten stehen geblieben war. Der Belziger Uhrmacher Hummel erklärte, diese erst Weihnachten zuvor repariert zu haben und dass dieselbe vollständig gangbar, noch nicht abgelaufen und durch das Eindringen von Wasser zum Stehen gebracht wurde. Des Försters Büchsflinte, noch mit der Ladung in beiden Läufen, wurde bald im Steindorfer Forstrevier zwischen Lübnitz und Benken gefunden.
Der Tote wurde genauestens untersucht, ein Mord war offensichtlich. Die Leiche wies Schuss- und Schnittverletzungen auf. Das Medicinal-Collegium der Provinz Brandenburg erklärte vor Gericht, dass die Kopfverletzungen, verursacht durch einen Schrotschuss auf die Stirn sowie durch Schlag aufs Hinterhauptbein zum Tode führten.
Auch der Tatort wurde genauestens inspiziert. In der Schonung zeigte sich, dass ein blutiger Kampf stattgefunden hatte und Erler nach Lübnitz geschleppt wurde. Man fand zwei kleine Kiefern, die in niedriger Höhe durch den Schuss verletzt waren. In den Kiefern und am Boden entdeckte man von Pulver geschwärzte Papierstücke. Bei der Verfolgung der durch abgeschossene Kiefernnadeln gegebenen Visierlinie fanden sich zwei Blutlachen, ein Teil des zerschossenen Mützenschildes und Erlers Trauring plattgeschossen.
Am 27. Februar wurde Fraehsdorf verhaftet, am Tag darauf Ganzer. Die Kleidung der Männer wies Blutspuren auf. Eigene Verletzungen konnten sie bald nicht mehr verbergen. Nach anfänglichem Leugnen legten sie Geständnisse ab. Ganzer wird in den Gerichtsakten als großer, starker, breitschultrig gewachsener Mann mit reichem gepflegten Haupthaar und Bart" beschrieben. Der untere Teil des Gesichts hat nichts Auffallendes, dagegen ist der obere Teil eigentümlich ausgebildet. Die Augen liegen tief, sehr nahe an der Nasenwurzel und sind tief geschlitzt. Der Blick ist finster, lauernd und ruhelos." Ganzer war bei seiner Verhaftung Vater dreier Kindern, eines starb während der Untersuchungshaft. Er erklärte, dass er voriges Jahr sehr heftig an Halsbräune erkrankt und durch Fieber so schwach geworden war, dass er gar nichts habe verdienen können". Acht Tage vor dem Vorfall sei Fraehsdorf zu ihm gekommen und habe ihn aufgefordert, mit auf die Jagd zu gehen". Er musste ablehnen, weil er zu schwach war. Acht Tage später, am 24. Februar, kam Fraehsdorf, ein Mann mit offenem Gesicht aber groben, gemeinen Zügen", wieder und Ganzer ging mit. Das Unheil nahm seinen Lauf.
Am Ende einer langen Verhandlung gab das Gericht das Urteil bekannt. Der Angeklagte Ganzer, der dem Förster die tödlichen Verletzungen beibrachte, wurde des Totschlags für schuldig befunden und mit lebenslänglichem Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehre bestraft. Der Angeklagte Fraehsdorf wurde der Teilnahme am Totschlag für schuldig befunden, mit zehn Jahren Zuchthaus, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht bestraft. Die Kosten der Untersuchung hatten die Verurteilten zu tragen. (Von Bärbel Kraemer)
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