SPIEGEL ONLINE: Frau Romanith, in Ihrem Buch gehen Sie der Frage nach, ob Frauen die besseren Mrder sind. Und, sind sie das?
Romanith: Sie gehen jedenfalls kreativer vor als Mnner. Einfallsreicher. Nehmen Sie den Rachefall, den ich im Buch beschreibe: Eine betrogene Frau aus Asien ksst dabei ihren Partner innig - und schiebt ihm dabei eine Zyankalikapsel in den Mund, die er schlucken muss. Sie verschrnkt die Liebeshandlung mit dem Mord. Kme ein Mann auf so eine Idee?
SPIEGEL ONLINE: Schwer zu sagen. Stellen sich Frauen beim Morden womglich auch deshalb kreativer an, weil ihnen fr plumpe Gewalt die Krperkraft fehlt?
Romanith: Natrlich, sie mssen die fehlende Kraft ausgleichen. Oft machen sie ihr Opfer deshalb erst wehrlos - um die eigentliche Tat dann durchzufhren. Hufigstes Tatwerkzeug ist brigens das Messer, eine europische Besonderheit gegenber den USA, wo Schusswaffen berwiegen. Natrlich muss man aber auch sagen, dass Frauen eher selten zu Tterinnen werden. Mnner tten etwa zehnmal hufiger als Frauen.
SPIEGEL ONLINE: Ist es richtig, dass sich Ttungsdelikte von Frauen fast immer gegen Freunde oder Familienmitglieder richten, also gegen ihr engstes Umfeld?
Romanith: Das stimmt - das meiste sind Beziehungs- und Konflikttaten. Frauen tten selten Unbekannte. In den eigenen vier Wnden kommt es eben zu den meisten Konflikten, und die knnen eskalieren. Oft ist es so, dass Opfer im Rollentausch zu Tterinnen werden.
SPIEGEL ONLINE: Das sind jene Frauen, die ihre prgelnden Ehemnner im Schlaf mit der Bratpfanne erschlagen?
Romanith: Genau. Manche von ihnen haben zuvor ein jahrelanges Martyrium erlitten. An irgendeinem Punkt entldt sich dann die ganze Wut, die aufgestaute Spannung; manchmal aus banalem Anlass. Die meisten Frauen werden brigens mit einem Ttungsdelikt berhaupt zum ersten Mal straffllig.
SPIEGEL ONLINE: Sie schreiben in Ihrem Vorwort: "Niemand ist vor Wahnsinnstaten gefeit, auch ich nicht." Warum glauben Sie das?
Romanith: Ich glaube, dass es in jedem Menschen eine gewisse Schwelle gibt. Wenn die berschritten wird, passieren Dinge, die man sich nie vorgestellt htte.
SPIEGEL ONLINE: Sie nennen das die "dunkle Ecke der Seele", die "Schattenseite der Frau". Ist es das, was man gemeinhin das Bse nennt?
Romanith: Nun, das Bse speist sich daraus. Dieser Schatten ist die ungeliebte, die negative Seite der Persnlichkeit, mit all den Eigenschaften, die nicht salonfhig sind.
SPIEGEL ONLINE: Aber diese Schattenseiten sind doch keine weibliche Besonderheit. Die gibt es auch bei Mnnern.
Romanith: Natrlich! Aber bei Mnnern nimmt man sowieso an, dass sie potentiell gewaltbereit, brutal und egozentrisch sind. Sie mssen diese Seite nicht berdecken. Wir Frauen sollen aber so tun, als ob es das nicht gbe. Das spezifisch weibliche Problem ist der Umgang mit dieser Schattenseite. Wird sie immer nur verdrngt und nie wahrgenommen, kann man in drastischen Momenten von dieser dunklen Kraft weggerissen werden.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es einen Fall, in dem Sie sich wiedererkannt haben, als potentielle Tterin?
Romanith: Ich habe selbst als Jugendliche eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung erlebt. Es htte auch mir passieren knnen, dass es grere Ttlichkeiten gibt. Einen solchen Fall beschreibe ich in meinem Buch: Da wchst eine Tochter bei ihrer Mutter auf, die das Kind besonders behten will. Mit Brachialgewalt versucht sie, ihre Erziehungsvorstellungen durchzusetzen. Das Makabere ist nun, dass das Mdchen jedes Jahr aufs Neue auf dem Markt eine Rute kaufen muss, mit dem sie das Jahr ber geschlagen wird. Diese Misshandlungen erlebt sie als sehr demtigend...
SPIEGEL ONLINE: ...und erhebt irgendwann die Hand gegen die Mutter?
Romanith: Als das Mdchen in der Pubertt ist, will es die Schlge nicht mehr erdulden. Sie packt den Hals der Mutter, drckt zu - und lsst erst los, als ihr Opfer blau angelaufen zu Boden sinkt. Das ist die klassische Situation, in der sich das Verhltnis von Opfer und Tter umkehrt.
SPIEGEL ONLINE: Gerade Delikte innerhalb der Familie sind ja oft besonders erschtternd. Gleich am Anfang ihres Buches berichten Sie von einer Mutter, die ihre beiden kleinen Kinder klaren Verstandes aus dem vierten Stock wirft.
Romanith: Das war ein Rosenkrieg, ein Streit ums Sorgerecht. Diese Frau wollte die Trennung von ihren Kindern unter keinen Umstnden. Sie handelte nach dem Motto "Alles oder nichts": Lieber die Kinder sind tot, als dass sie miterleben msste, dass das Sorgerecht dem Ehemann zugesprochen wird. Das war fr diese Frau undenkbar.
SPIEGEL ONLINE: Am Ende mussten Sie der Mrderin selbst klarmachen, was sie getan hatte: Ihr fehlte jede Erinnerung an die Tat, sie hatte sie verdrngt. Sind solche Filmrisse ein weibliches Phnomen?
Romanith: Das wrde ich nicht sagen. Ich glaube, das ist menschlich. Weil die Tat mit dem Gewissen nicht vereinbar ist, man aber selbst damit weiterleben muss. Den Satz "Das war ich nicht! Das kann ich nicht gewesen sein!" hre ich von Ttern immer wieder. Man verarbeitet das sozusagen ich-fremd. Als htte ein fremder Teil in einem selbst die Tat begangen.
SPIEGEL ONLINE: In der ffentlichkeit ist eher selten die Rede von Mrderinnen. Sie schreiben, das habe der Feminismus bewirkt. Htte das auch ein mnnlicher Autor so behaupten knnen?
Romanith: Ich glaube, das konnte ich mir nur als Frau erlauben. Aber wissen Sie, ich bin ja ein Fan des Feminismus: Er hat viel erreicht. Es hat mich nur gestrt, dass Frauen immer als liebenswrdiger und weniger gewaltbereit dargestellt werden. Nach meiner Erfahrung ist das einfach nicht der Fall. Ich habe in meinem Leben oft genug erfahren, dass Frauen unglaublich hart sein knnen. Wie intrigant sie miteinander umgehen. Ich persnlich frchte die Rache von Frauen viel mehr als die von Mnnern.
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