Im April 2007 beginnt in Sddeutschland eine einmalige und bis heute nicht aufgeklrte Verbrechensserie: Ein unbekannter Tter wirft regelmig Glasflaschen aus einem fahrenden Wagen. Immer wieder werden nachfolgende Motorrad- und Autofahrer zu seinen Opfern - denn der Mann hat die Flaschen zuvor mit Altl befllt.
In der Folge verursachen die mutwillig gelegten lpftzen mehrfach schwere Unflle. Doch es dauert vier Jahre, bis tatschlich jemand zu Tode kommt: Im Frhjahr 2011 erliegt ein Familienvater noch am Unfallort seinen Verletzungen. Der 37-Jhrige war mit dem Motorrad unterwegs gewesen, als er auf einer llache ausrutschte und von einem Auto erfasst wurde. Das lfleck-Phantom ist jetzt ein Mrder.
Nach dem Tod des Motorradfahrers verlor sich die Spur des Unbekannten zunchst - doch im April dieses Jahres finden Polizisten neue lflecken. Tatort ist eine viel befahrene Staatsstrae bei Dieen am Ammersee. Hat der Tter erneut zugeschlagen? Im bayerischen Kempten arbeitet inzwischen die "Ermittlungsgruppe lfleck" an der Aufklrung der Flle. Sie will wissen, wer der Unbekannte ist, der offenbar Gefallen daran findet, andere nach dem Zufallsprinzip zu tten.
Helfen soll bei der Suche der renommierte Profiler und Fallanalytiker Markus Hoga von der Mnchner Polizei.
SPIEGEL ONLINE: Herr Hoga, wann wurden Sie in die Ermittlungen der Kripo eingeschaltet und warum?
Hoga: Das erste Mal haben wir die Kollegen schon 2011 beraten, gleich nach dem Tod des Motorradfahrers. Die Art des Deliktes war fr die Ermittler ungewhnlich.
SPIEGEL ONLINE: Was wissen Sie ber den Tter? Wie handelt er?
Hoga: Wir haben es mit jemandem zu tun, der gebrauchte Wein- und Sektflaschen sammelt. Bei diesen entfernt er vor der Tat die Etiketten und befllt sie anschlieend mit Minerall. Sein bevorzugtes Ziel sind kurvige Straen, Staatsstraen, aber auch Autobahnen. Die fhrt er ab, um bei passender Gelegenheit die lflaschen in kurzen Abstnden abzuwerfen.
SPIEGEL ONLINE: Lange haben die Ermittler nicht gemerkt, dass sie es mit einem Serientter zu tun haben. Wie kam das?
Hoga: Die Taten, die uns bisher bekannt wurden, sind verteilt auf den sdbayerischen Raum und auf das stliche Baden-Wrttemberg. Nicht in allen Fllen wurden Menschen gettet oder verletzt. Meistens wurde lediglich die Feuerwehr gerufen. Das Ganze wurde also nicht als schwerwiegendes Delikt wahrgenommen. Auerdem sind verschiedene Polizeidienstellen betroffen, was das Erkennen einer Serie zustzlich erschwert.
SPIEGEL ONLINE: Soweit man wei, gab es diese Anschlge bislang immer nur sdlich der Donau. Ist das Zufall?
Hoga: Das ist kein Zufall, denn es zeigt eine bewusste Tterentscheidung. Es handelt sich um eine gezielte Auswahl der Strecken, die der Unbekannte vornimmt.
SPIEGEL ONLINE: Worum geht es dem lflecktter, was treibt ihn an?
Hoga: Es geht ihm insbesondere darum, Angst zu verbreiten. Eine gezielte Opferauswahl ist ihm ja nicht mglich. Vielmehr wird die Schdigung eines Fremden billigend in Kauf genommen. Vor allem aber will er Macht ausben und die Bevlkerung mit der Frage verngstigen, wo er als Nchstes zuschlagen wird.
SPIEGEL ONLINE: Was knnte der Auslser fr diese Taten sein?
Hoga: Das knnen ganz verschiedene Dinge sein. Wahrscheinlich ist insbesondere, dass der Tter in der Vergangenheit Probleme mit Verkehrsteilnehmern hatte, vielleicht in irgendeiner Form von ihnen gekrnkt worden ist. Oder er fhlt sich von Motorrad- oder Autofahrern ungerecht behandelt. Aus seiner subjektiven Sicht heraus knnte ihn etwas verrgert haben, und er mchte durch das Ausbringen dieser lflaschen einfach Rache nehmen und eine Form von "kalter Wut" abfhren.
SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass der Gesuchte nach dem Tod des Motorradfahrers seine Handlungen beendet hat?
Hoga: Das ist sehr unwahrscheinlich, denn auch vorher hatte es ja bereits Schwer- und Schwerstverletzte gegeben. Der Tter wird sicher aus der rtlichen Presse davon erfahren haben. Trotzdem hat er anschlieend weitergemacht, zumindest bis zum Frhjahr 2011.
SPIEGEL ONLINE: 2013 wurden erneut lflecken entdeckt. Ist der Unbekannte jetzt wieder aktiv?
Hoga: Wir wissen ja gar nicht abschlieend, ob er zwischenzeitlich berhaupt aufgehrt hatte. Vielleicht wurden sptere Taten einfach nicht entdeckt. Die Vorgehensweise ist beim diesjhrigen Fall aber etwas anders gelagert. Deshalb knnen wir nicht mit Genauigkeit sagen, ob es sich um denselben Tter handelt.
SPIEGEL ONLINE: Kann der Mrder einen Nachahmer gefunden haben?
Hoga: Es knnte sich um einen Trittbrettfahrer handeln. Es ist aber auch mglich, dass sich der schon zuvor Gesuchte durch Presseverffentlichungen und den Ermittlungsdruck dazu entschlossen hat, seine Vorgehensweise leicht abzundern, damit die Ermittlungen nicht auf ihn gerichtet werden.
SPIEGEL ONLINE: Sie und die Ermittler der Einsatzgruppe "lfleck" erhoffen sich durch den erneuten Gang an die ffentlichkeit neue Zeugenhinweise. Wer soll sich denn bei der Polizei melden?
Hoga: Melden soll sich jeder, der glaubt, etwas zur Sache sagen zu knnen, auch wenn er nur einen Anfangsverdacht hegt. Viele Menschen haben Angst, dass ein geuerter Verdacht gegen einen Bekannten, Nachbarn oder Freund Schwierigkeiten im spteren Zusammenleben mit sich bringt. Diese Sorge ist nachvollziehbar. Deshalb nehmen die Kollegen auch anonyme Hinweise entgegen. Solch ein geuerter Verdacht lsst sich in diesem Fall auch schnell ausrumen. Wir verfgen inzwischen ber Fragment-Spuren der Tter-DNA.
Den kompletten TV-Beitrag sehen Sie heute bei SPlEGEL TV Magazin, RTL, 22.30 Uhr.
SPIEGEL TV hat die Arbeit der Ermittler exklusiv begleitet und dokumentiert die Serie des lfleck-Mrders. Die Kripo in Kempten erhofft sich durch die Verffentlichung neue Hinweise. Erreichbar ist die Polizei unter der Rufnummer 0831/99091770.
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