Mit Elternabenden hat Schauspieler Matthias Brandt seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht. "Ich habe selten Situationen erlebt, die so von Aggression geschwngert waren. Was mich dabei immer verblfft, ist diese Vehemenz, ja dieser Hass, der da im Raum ist."
In Brandts sechstem Fall als Polizeiruf-Ermittler Hanns von Meuffels fhrt diese Vehemenz sogar zum Mord. Ella Werken (Lisa Wagner), die Mutter der kleinen Lara, wird tot aufgefunden. Erste Ermittlungen fhren von Meuffels in den elitren Kindergarten, den der Lebensgefhrte der getteten Frau, Joachim Grand (Johannes Zeiler), mit viel Geld und Engagement aufbaut. Doch anders als der Name suggeriert, ist der Hort eben kein "Kinderparadies", wie sich zgig herausstellt.
Meuffels platzt mitten in ein Elterngesprch. Trotz frhlicher Kinderlieder, die die Erwachsenen singen, ist die Atmosphre eisig. Keine Spur von Harmonie unter den Vtern und Mttern. Stattdessen: Misstrauen, Vorwrfe. Hass. Und das alles, weil der zweijhrige Bruno, Sohn der Kindergartenleiterin Valeska Steier (Annika Kuhl) die anderen Kinder regelmig beit. Doch dahinter verbirgt sich weit mehr: ein Netz aus Eifersucht, Verachtung, Verrat und Betrug. Denn Steiers Mann Tobias hatte ein Verhltnis mit der Toten.
"Soll das hier eine Monsterjagd werden?"
Davon ahnt von Meuffels nichts, als er im "Kinderparadies" ankommt und Ellas Lebensgefhrten ber den Tod seiner Freundin informiert. Schnell macht ihn die Atmosphre in dieser berbehteten Welt misstrauisch. Eine Welt, in der Zweijhrige mit Chinesisch traktiert werden, Mini-Violinen die Musikalitt frdern sollen und das Kasperltheater aus Shakespeares "Sommernachtstraum" besteht. Eine Welt, in der scheinbar aufgeklrte Eltern auf dem Rcken berfrderten Sprsslinge wtende Stellvertreterkriege austragen. "Soll das jetzt hier eine Monsterjagd werden?", schreit Brunos Mutter, "ich lasse meinem Kind keinen Maulkorb verpassen."
Hysterie, mit der von Meuffels nichts anfangen kann. Lakonisch, distanziert, mit sparsamen Gesten, fhrt der Kommissar seine Ermittlungen. Unter Verdacht gert der Lebensgefhrte der Toten. Grand hat seine Ex-Frau grn und blau geschlagen, die Schwester der Ermordeten berichtet auch von aktuellen Prgel-Orgien. Die Trennung stand im Raum. Doch die Indizien gegen Grand reichen gerade mal fr einen Tag Untersuchungshaft.
So ganz nebenbei muss sich auch von Meuffels mit der Frage auseinandersetzen, die all die hysterischen Eislaufmuttis und Bolzplatzpapis umtreibt: Was ist gut fr mein Kind? Nmlich als er die kleine Lara in seine Obhut nehmen muss und auf grandios-sympathische Weise scheitert.
berforderte Eltern. berfrderte Kinder
"Wir singen oft Wiegenlieder fr unsere Kinder, damit wir selbst einschlafen knnen", heit es in der Sentenz, die dem Film vorangestellt ist. Die Eltern sind berfordert. Als Konsequenz daraus berfrdern sie ihre Kinder. Das ist das Thema, dem Leander Haussmann (Regie und Co-Autor) und Daniel Nocke (Drehbuch) in diesem Polizeiruf virtuos auf den Grund gehen. Untermalt von einem suggestiven Soundtrack vom "Element of Crime"-Schlagzeuger Richard Pappik.
Fr die Zuschauer ist "Kinderparadies" alles andere als ein Wohlfhlkrimi. Es gibt keine typischen Buddy-Scherze unter Kommissaren wie von schlechten "Tatorten" gewohnt. Stattdessen einen zunehmend einsam und verzweifelt wirkenden Ermittler, den dieser Fall sichtlich mitnimmt. Auch die Montage des Films ist komplex. Keine Echtzeit-Chronologie, stattdessen zahlreiche Rckblenden oft mit Kommissar von Meuffels mittendrin, als Gast aus der Zukunft, der die Ereignisse innerhalb der Szene rekonstruiert.
Brandts Ausnahme-Spiel und Haumanns theatererprobte Regie machen "Kinderparadies" zu einer filmisch wie dramaturgisch auergewhnlichen "Polizeiruf"-Episode. Das ist fr den Zuschauer anspruchsvoll, aber auch ein echtes Fernsehvergngen.
Ein so nervenaufreibend wie elegant inszeniertes Finale hat man in der ARD zur Primetime jedenfalls lange nicht mehr gesehen.
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